Der Fluch vom Gardasee by Montano Alessandro

Der Fluch vom Gardasee by Montano Alessandro

Autor:Montano, Alessandro [Montano, Alessandro]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Krimi
Herausgeber: emons
veröffentlicht: 2019-07-14T22:00:00+00:00


18

1983

Die Bühne war so gut wie fertig aufgebaut. Sandro stand bis zur Brust im letzten Quadranten des Gerüsts, das er zusammengezimmert hatte, und nagelte die noch fehlenden Bohlen auf die Stützen. Sein nackter Oberkörper glänzte vor Schweiß, und seine Muskeln arbeiteten unter seiner gebräunten Haut. Toto stand auf dem Marktplatz und sah ihm zu. Die Schule war zu Ende, er war der Letzte gewesen, der das Gebäude verlassen hatte, weil er sich noch ein Buch aus der »Bibliothek« genommen hatte. Er fand den Titel so komisch, dass er es unbedingt lesen musste. »Von Mäusen und Menschen«. Das letzte Buch war traurig gewesen, jetzt wollte er etwas haben, das ihn vielleicht auch zum Lachen brachte.

»He, was stehst du da so rum und glotzt?«, rief Sandro ihm zu. Er wischte sich mit seinem schwarz behaarten Unterarm den Schweiß von der Stirn.

Toto wusste darauf nichts zu antworten, es war doch offensichtlich, dass er ihm zusah. Was ihm währenddessen alles durch den Kopf gegangen war, konnte er nicht auf die Schnelle erklären, also ließ er es bleiben und lächelte.

»Dieser Schwachsinnige«, brummte Sandro und wog den Hammer in seiner Hand. In seiner Hosentasche fand er noch mehr Nägel und setzte einen auf dem noch losen Brett an. Dann schlug er mit solcher Härte darauf ein, dass der Nagel schon beim ersten Hieb fast komplett im Holz verschwand.

»Trödel nicht, Arlecchino«, sagte eine Stimme hinter Toto, und Toto drehte sich um. Padre Corso ging hinüber zur Kirche, eine scharf riechende Fahne hinter sich herziehend. Er war wohl auch noch am Bücherregal gewesen.

»He, Arlecchino«, rief Sandro da, »reich mir mal die letzten zwei Bohlen rüber, ja?« Er deutete auf die verbliebenen Holzbohlen, für die er aus dem Gerüst hätte klettern müssen.

Toto tat, wie ihm geheißen, und hob die schweren Bretter an. Er konnte sie kaum festhalten, sie rutschten immer wieder auseinander. Umständlich hievte er sie auf das Gestell und blieb dabei mit seinem Jackenärmel an einer Ecke hängen. Es gab ein hässliches Geräusch, als der Stoff zerriss.

»Oh, nein«, jammerte Toto.

Sandro nahm das Holz entgegen, schaute auf den Riss und meinte: »Fällt bei deiner Flickenjacke eh nicht mehr auf, Junge. Deine Mutter wird’s schon nähen.«

Das tröstete Toto nicht, denn genau das wollte er auf keinen Fall, dass seine Mutter wieder nähen musste. Aber nun war es passiert.

»Ciao, Sandro«, sagte er.

Sandro sah ihm hinterher und schüttelte nur den Kopf.

»Tut mir leid«, entschuldigte sich Toto bei seiner Mutter, als er zu Hause angekommen war. »Ich habe beim Aufbau der Bühne geholfen und bin irgendwo hängen geblieben.«

Sie untersuchte den aufgerissenen Ärmel mit beiden Händen und streng zusammengeschobenen Augenbrauen. »Ausgerechnet jetzt vor dem Fest«, murmelte sie und stand auf, um ihr Nähzeug zu holen.

Toto sah ihr schuldbewusst nach und setzte sich an den Küchentisch.

»Kann ich damit auftreten?«

Seine Mutter drehte sich zu ihm um. Sie hielt ihren Nähbeutel fest an die Brust gedrückt. »Willst du das wirklich tun?«

»Ich möchte singen. Das ist das, was ich kann, und ich will es allen zeigen.«

Sie lächelte gütig, legte den Kopf schräg und strich ihm über das Haar. »Du weißt, dass du singen kannst, deine Eltern wissen es, und der liebe Gott weiß es auch.



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